Der portugiesische Lifestyle und der dänische Hygge sind derzeit so weit voneinander entfernt wie die Erde vom Mars.
Es scheint, als ob Gemütlichkeit nicht das sei, was die Portugiesen schätzen. Portugiesen sind Pragmatiker, was nichts Schlechtes sein muss, denn damit sind sie ja nicht allein auf der Welt. Wenn man es sich so überlegt, dann gehören eigentlich die meisten Länder derzeit noch zu den Pragmatismus-Anhänger. Man denke nur an die Garküchen Thailands, die mit kalten Sparlampen beleuchtet und ausgeblichenen Plastikstühlen so gar nicht den Image-Filmchen entsprechen, die den Tourismus ankurbeln sollen. Denn die Filmchen zeigen was? Gemütlichkeit! Warme lackierte Teakböden, mit bunten-Seidenkissen besprenkelt, transparente weiße Baumwollvorhänge im Wind. In einen Sarong gewickelt genießt die wunderschöne Thai eine Tasse Jasmin-Tee. Das ist Hygge auf Thai. Im Filmchen!
Das Vorzeige-Pragmatismus-Land für mich ist Vietnam. Hygge sucht man hier vergebens. Auch in den Köpfen der Menschen. Das hat aus meiner deutschen Sicht Vor- und Nachteile. Aber das soll heute nicht das Thema sein. Auch in den vietnamesischen Image-Filmchen gibt es starke Hygge-Anzeichen: Ha Long Bay wird gerne dafür verwendet. Ein traditionelle Passagier-Dschunke aus Holz mit wunderschönen Segeln, die an die Flossen des Drachenfisches erinnern. Frau sitzt in der gemütlichen mit Holz verkleideten Kabine im bauschigen Sessel, die Felsen der Ha Long Bay ziehen langsam an ihr vorbei, die Vorhänge wehen, der vietnamesische Kaffee dampft auf dem Tischchen neben ihr. Das ist Hygge! Das ist den Moment genießen und sich dabei rund um wohl fühlen. Im Filmchen!
Das bedeutet, dass man annimmt, dass die Touristen Hygge haben möchten und bereit sind dafür zu zahlen. Wie kann es aber sein, dass man nicht Hygge für sich selbst haben will? Kann es sein, dass die Menschen nur nicht wissen, wie man Hygge erreichen kann? Kann es sein, dass die meisten Menschen denken, Hygge sei nur für die Reichen? Hygge sei nur mit Geld zu haben?
Wenn man sich aber die junge Generation anschaut, die da heranwächst mit globalem Insta und Pinterest, diese Generation kann aus wenigem (zum Teil aus Schrott) sehr gemütliche, oder zumindest gesellige Orte erschaffen.
Auch im pragmatischen Vietnam, haben wir Cafés und Restos besucht, die Upcycling und Kreativität auf so wunderbare Weise verbunden haben, dass die hausgemachte Wassermelonen-Limo gleich umso besser schmeckte. Ausschlaggebend waren für mich - neben der Kreativität - zwei wichtige Punkte, die die Jungs und Mädels gut umgesetzt haben: Pflanzen und Musik!
Ich kann nicht nachvollziehen, wie man ein Café statt mit angenehmer Musik mit den neusten Negativ-Nachrichten aus dem gigantischen Flat-Screen beschallen kann. Eine Portion soften Jazz kann jeden Raum verwandeln. Auch einen ohne Pflanzen ;-) Aber das scheinen nicht viele zu wissen.
Die Frage ist also: Kann man Hygge nach Portugal bringen?
Ich bin davon überzeugt. Nein, ich meine nicht den dänischen Original-Hygge, aber einen an Portugal angepassten Hygge.
Auch im Alentejo kann man ein hyggeliges Café erschaffen oder ein hyggeliges Haus.
Werden aber die Weltschmerz-Portugiesen den Hygge annehmen? Ein Konzept der glücklichsten Menschen der Welt, der Dänen?
Ist Hygge womöglich die Basis allen Glücks und Weltschmerz (Saudade) die Basis allen Pragmatismus?
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